vor Ort

Granada, 2011

Audioinstallation

Die Überreste der ehemaligen Synagoge und jüdischen Gemeinde in Bremen, die in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 von SA-Männern geplündert und in Brand gesteckt wurde, befinden sich im Kellergewölbe des heutigen Rosenak-Hauses. Für diesen historisch bedeutungsvollen Raum wurde die Arbeit „vor Ort“ entwickelt.
An der hinteren Wand des dunklen, von Kreuzgewölben und niedrigen Säulen gestützten Kellerraumes steht ein Lesepult. Das Pult ist zur Wand gedreht und erinnert in seiner Form und Position an eine Almemar. Dies ist der Ort in der Synagoge, an dem ein Vorbeter mit dem Gesicht zum Schrein, in dem sich die Thora Rollen befinden, und mit dem Rücken zur Gemeinde Gebete vorsingen würde. Diese Aufgabe kann von jedem Gemeindemitglied übernommen werden. Statt eines Gebetsbuches liegt jedoch ein Fotoalbum auf dem Pult und es fehlen sowohl die Thora-Rollen, als auch die Gemeinde. Das Pult ist eine Einladung an den herantretenden Betrachter diese Leere mit neuem Leben zu füllen.
Auf die aufgeschlagenen Seiten des Albums werden verschiedene Fotografien projiziert. Es sind Aufnahmen von Straßen und Begebenheiten, die sich in verschiedenen Städten abspielen und durch ihre fehlende Verortbarkeit beliebig scheinen. Sie zeigen Momente, die überall und nirgends stattfinden könnten.
Diese Projektion wird von einer Audiospur begleitet. Der vorgelesene Text besteht aus Fragmenten und Eindrücken eines Urlaubs in Granada, Spanien. In der Form eines Reisetagebuchs werden chronologisch geordnet subjektive Eindrücke alltäglicher und absurder Begebenheiten erzählt. Doch auch im Urlaub wird das Thema antisemitischer Pogrome und Vertreibung nicht ausgespart, als die Erzählerin unvermittelt auf die Geschichte der sephardischen Juden in Spanien stößt.

Vor Ort handelt von der ständigen Präsenz historischer Narrative im Alltag. Diese Narrative sind ein Teil der persönlichen kulturellen Identität und formen diese beständig. In den Momenten, in denen die Anwesenden die Verknüpfung der eigenen Biographie mit der Geschichte erkennen, wird Geschichte zu einem fühlbaren Ort, an dem verschiedene Zeitebenen den eigenen Körper durchkreuzen.